BGH BESCHLUSS ZR 241/19 vom 11. Februar 2021 Herstellergarantie III Richtlinie 2011/83/EU Art. 6 Abs. 1 Buchst. m; Richtlinie 1999/44/EG Art. 6 Abs.2 Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art.6 Abs.1 Buchst.m der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.Oktober 2011 über die Rechte der Ver-braucher,zur Abänderungder Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie1999/44/EG des EuropäischenParlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl.L304 vom 22.November 2011S.64) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt: 1.Löst alleinschon das bloße Bestehen einer Herstellergarantie die Informationspflicht nach Art.6 Abs.1 Buchst.m der Richtlinie 2011/83/EU aus? 2.Für den Fall, dass Frage1 verneint wird: Wird die Informationspflicht nach Art.6 Abs.1 Buchst.m der Richtlinie 2011/83/EU durch die bloße Erwähnung einer Herstellergaran- tie im Angebot des Unternehmers ausgelöst oder wird sie ausgelöst, wenn die Erwäh- nung für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist? Besteht eine Informationspflicht auch, wenn für den Verbraucher ohne weiteres erkennbar ist, dass der Unternehmer nur Angaben des Herstellers zu der Garantie zugänglich macht? 3.Muss die nach Art.6 Abs.1 Buchst.m der Richtlinie 2011/83/EU erforderliche Informa- tion über das Bestehen und die Bedingungen einer Herstellergarantie dieselben Anga- ben enthalten wie eine Garantie nach Art.6 Abs.2 der Richtlinie 1999/44/EG des Euro- päischen Parlaments und des Rates vom 25.Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl.L171 vom 7.Juli 1999, S.12) oder genügen weniger Angaben? BGH, Beschluss vom 11. Februar 2021-I ZR 241/19-OLG Hamm LG Bochum -3- dass der Unternehmer nur Angaben des Herstellers zu der Garantie zugänglich macht? 3.MussdienachArt.6Abs.1Buchst.mderRichtlinie 2011/83/EU erforderliche Information über das Bestehen und die Bedingungen einer Herstellergarantie dieselbenAn- gabenenthalten wie eine Garantie nach Art.6 Abs.2 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgü- ter (ABl.L171 vom 7.Juli 1999, S.12)oder genügen weni- ger Angaben? Gründe: A.Die Parteienstehen beim VertriebvonTaschenmessernim Wege des Onlinehandelsmiteinander in Wettbewerb. DieBeklagtebotaufderInternetplattformA.einTaschenmesser desSchweizerHerstellersV.an.DieA.-Angebotsseiteenthielt selbstkeine Angaben zu einervonder Beklagten oder einemDritten gewährten Garantie für das angeboteneMesser,aber-unter der Zwischenüberschrift "Wei- tere technische Informationen"-einenelektronischen Verweis (Link)mit der Be- zeichnung "Betriebsanleitung". Beim Anklicken dieses Links öffnete sich einauf einem Server des Betreibers der Internetplattform A.gespeichertesDoku- ment, das ein zwei Seitenumfassendes, vom Hersteller desMessers gestaltetes und textlich formuliertes Produktinformationsblatt wiedergab.Auf dessenerster 1 2 -11- ee)Darüber hinaus ist bei der Auslegungvon Art.6 Abs.1 Buchst.m der Richtlinie 2011/83/EUzubeachten, dassdieGrundrechte der Unternehmernicht unverhältnismäßigeingeschränktwerdendürfen. (1)Gemäß Erwägungsgrund4 der Richtlinie 2011/83/EUistein ausgewo- genesVerhältniszwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wett- bewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen und dabei die in Art.16 der EU-Grundrechtecharta gewährleistete unternehmerische Freiheit des Unterneh- mers zu wahren (vgl.EuGH, GRUR 2019, 296 Rn.41-Walbusch Walter Busch; GRUR 2019, 958 Rn.44-Amazon EU;EuGH, Urteil vom 8.Oktober 2020 -C-641/19,WRP 2020, 1559Rn.30-PE Digital).Dieunternehmerische Freiheit darf nach Art.52 Abs.1 Satz2 der EU-Grundrechtechartaunter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeitnureingeschränktwerden, wenndieser- forderlichistund den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlichentspricht. (2)Zugunsten der Unternehmer wirdinsofernangenommen, dasses ei- nemVerkäufer unbenommen bleibenmüsse,eigenständig zu prüfen, ob die Ga- rantie des Herstellers in der Kommunikation zum Kunden einen Vorteil darstelle, der den Aufwand bei der Darstellung desAngebots lohne(vgl. Douglas, GRUR- Prax 2020, 292),unddie Kaufsache im Rahmen der Vertragsfreiheitgegebenen- fallsohne Hinweis auf eine bestehende Herstellergarantie anzubieten (vgl. OLG Celle, WRP 2020, 751, 755 [juris Rn.75]). Bejahte man eine Informationspflicht des Verkäufers demgegenüber be- reits dann, wenn der Hersteller der Kaufsache eine Garantie gewähre, müsste der Verkäufer bei jedem verkauften Produkt recherchieren, ob und gegebenen- falls zu welchen Konditionen eine Herstellergarantie bestehe. Dabei müsste er auch ständig überwachen, ob der Hersteller einschlägige Werbung veröffentliche 25 26 27 28 |